In den sozialen Medien ist es immer total einfach, Menschen, die man nicht kennt, als Egoisten zu bezeichnen. Schnell ist ein „Heul-Lach-Smiley“ gesetzt oder ein fieser Kommentar geliked. Aber warum kann man nicht mit ein wenig Empathie einmal versuchen, sich in die Lage von anderen Menschen zu versetzen? Auch wenn ich nicht direkt betroffen wäre, so kann man doch die Unverhältnismäßigkeit dieses Bauprojektes ein wenig nachempfinden.

Ja, natürlich braucht Hattersheim eine weitere Grundschule – die Frage stellt sich gar nicht. Allerdings kann und will ich nicht akzeptieren, dass ich und meine Nachbarn am Südring davon derart massiv negativ beeinträchtigt werden!
Es gibt andere Standorte, die nicht schlechter sind – im Gegenteil! Nehmen wir nur mal die Fläche an der HBS. Hier gibt es bereits eine verkehrstechnische Anbindung! Es muss also nicht, wie am Südring, eine neue Zufahrt gebaut (und bezahlt) werden! Die Verkehrsbelastung an der HBS ist mitnichten so hoch, wie im Südring – also vor dem Hintergrund des sicheren Schulwegs auch eher ein Argument gegen den Südring! Aber das gerade für mich wertvollste Argument: man beschneidet dort keinen einzigen Anwohner in seinem höchstpersönlichen Lebensraum!
Wenn künftig in einem Abstand von 7,1m insgesamt 16 Schulklassen mit je 22-25 Kindern beschult werden – wie sieht der Alltag für mich aus? Darf ich mich nicht mehr frei in meinem Garten bewegen, weil das den Unterricht stören kann? Ich liebe freie Vormittage oder Urlaubstage, die ich im Garten verbringe – sei es mit einem guten Buch und ein wenig Musik oder um den Garten auf Vordermann zu bringen! Ist es dann Ruhestörung, wenn ich zu Unterrichtszeiten meinen Rasen mähe? Errege ich öffentliches Ärgernis, wenn ich mich im Bikini sonne? Bin ich gezwungen, künftig permanent „Rücksicht zu nehmen“ – obwohl die Behörden auf uns gerade auch keine Rücksicht nehmen? Haben wir als Anwohner keine Rechte mehr?
Wir müssen diese Entscheidung einfach hinnehmen – wenn wir das nicht mit großem Beifall beklatschen, sind wir aber doch keine Egoisten!
Kinderlärm ist rechtlich kein Lärm – das ist auch vollkommen in Ordnung! Aktuell plagt uns maximal Vogelgezwitscher oder ein paar Blätter, die vom Wind in Bewegung gesetzt werden. Ganz ab und zu hört man mal Hundegebell. In dieser kurzen Distanz dann künftig bei 16 Schulklassen den Musik- oder Mathematikunterricht ungestört beiwohnen zu können, ist eine schlimme Vorstellung – nicht nur, weil und „Aussicht“ genommen wird! Sollte hier mal ein Wohngebiet entstehen, ist es einfach etwas anderes. Man bekommt nicht auf einen Schlag 352 „neue Nachbarn“…
Ich weiß sehr zu schätzen, wie wir aktuell wohnen – genau das haben wir uns 2017 bewusst ausgesucht. Ich bin quasi im Nachbarhaus geboren und groß geworden. Das angrenzende Gebiet galt immer als unverbaubares Wasserschutzgebiet. Nicht nur meine Liebe zu Hattersheim, auch eben diese Lage war ein Hauptkriterium, dort einzuziehen – und genau die Feldrandlage hatte auch einen entsprechenden Einfluß auf den Kaufpreis.
Mit sehr viel Liebe (und finanziellem Aufwand) haben wir das Haus komplett saniert und nach unseren Vorstellungen renoviert. Das hätten wir nicht gemacht, wenn wir gewusst hätten, dass wir künftig ausnahmslos auf ein zweigeschossiges Schulgebäude und in bis zu 16 Klassenzimmer schauen werden – und alle Klassenzimmer eben auch freie Sicht in unseren Garten bis in unser Wohnzimmer haben… Uns wird nicht nur unsere Privatsphäre genommen, es wird uns auch finanzieller Schaden zugefügt!
Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass es jemanden gibt, der in dieser Situation nicht genauso handeln würde, wie wir es tun: für unser Zuhause kämpfen!
Anja Riedel und Michael Pikelj, Anwohner des Südrings